Mit der sogenannten Cartabia-Reform, die nach der Justizministerin Marta Cartabia benannt ist, wurde am 28. Februar 2023 aktuell auch die Reform des Zivilprozesses auf den Weg gebracht, mit dem Ziel, die Verfahrensdauer und den Rückstau von anhängigen Prozessen zu verringern.
Eine der wichtigsten Neuerungen betrifft die Bestimmungen über die Scheidung von Ehen, wobei die Möglichkeit besteht, sowohl den Antrag auf Trennung als auch auf Scheidung in einem einzigen Akt und vor demselben Richter einzureichen. Ab dem 1. März wird es also nicht mehr zwei getrennte Verfahren geben, eines für die Trennung der Ehegatten und eines für die eventuelle Beendigung der zivilrechtlichen Wirkungen der Ehe, d.h. die Scheidung selbst.
Die Reform sieht eine maximale Frist von 90 Tagen für die Anberaumung der ersten Anhörung der Eheleute vor. Bereits mit dieser Änderung dürfte sich die Verfahrensdauer um etwa acht Monate verkürzen. Eines der größten Probleme der italienischen Justiz ist die Länge der Prozesse. Nach Angaben des ISTAT und des Ministeriums dauert eine strittige Scheidung, d. h. wenn sich die Parteien nicht einigen können, im Durchschnitt zwischen eineinhalb und zwei Jahren.
Die Anwälte reichen daher den Trennungs- und Scheidungsantrag in einem einzigen Verfahren ein, und wenn Kinder vorhanden sind, wird auch ein Elternplan (sog. „piano genitoriale“) vorgelegt.
Das Justizministerium beabsichtigt außerdem, bis Oktober 2024 ein neues Fachgericht „für Personen, Minderjährige und
Familien“ einzurichten, das sich in seinen verschiedenen Abteilungen mit allen Angelegenheiten befassen wird, die heute auf das ordentliche Gericht, das Gericht für Minderjährige und den Vormundschaftsrichter verteilt sind.
In der Klageschrift muss der Kläger dem Richter unverzüglich die Beweismittel, die Rechtsgrundlagen und die für den Rechtsbehelf nützlichen Unterlagen sowie seine Vermögensverhältnisse darlegen, indem er das Verzeichnis des eingetragenen beweglichen Vermögens, die Gesellschaftsanteile, die Bank- und Finanzkontoauszüge und die Einkommenserklärung der letzten drei Jahre einreicht. Im Falle von Versäumnissen kann ein Ehegatte, der es versäumt, seine wahren wirtschaftlichen Verhältnisse nachzuweisen, vom Gericht zur Zahlung der Gerichtskosten und des Schadensersatzes für die andere Partei verurteilt werden.
Mit dem neuen Verfahren wird von dem Präsidenten ein Termin für die Güteverhandlung direkt vor dem Kollegium oder dem beauftragten Richter anberaumt, da die erste Güteverhandlung vor dem Gerichtspräsidenten, die in den meisten Fällen nie zu einer Schlichtung der Ehegatten führte, abgeschafft wird. Die Schlichtung wird bei der ersten Anhörung vor dem Gericht unter Angabe der Schlussanträge durchgeführt.
Wenn minderjährige Kinder vorhanden sind, müssen die Anwälte der Eheleute in den einleitenden Akten auch den so genannten „piano gen
itoriale“ aufführen, d. h. eine ausführliche Darstellung der Aktivitäten des Kindes in Bezug auf Schule,
außerschulische Aktivitäten und Ferienbetreuung. Damit soll dem Richter die Möglichkeit gegeben werden, über das Sorgerecht, die Unterbringung und das Besuchsrecht zu entscheiden.
Minderjährige werden immer vom Richter angehört, auch wenn sie noch keine 12 Jahre alt sind, um vorübergehende und dringende Maßnahmen zu ihrem Schutz zu ergreifen. Zu den Neuerungen gehört auch die Möglichkeit des Richters, ein Elternteil zu sanktionieren, der den piano genitoriale akzeptiert, ihn aber in Bezug auf Zeit und Modalitäten nicht einhält. Dies reicht von einer Verwarnung bis zu einer Verwaltungssanktion in Höhe von maximal 5.000 EUR. Für den Fall von Misshandlung und Missbrauch in der Familie ist ein „Schnellverfahren“ vorgesehen, um das Verfahren weiter zu beschleunigen.